Zeynep, 24 Jahre, Molecular Biosciences, (Major Developmental and Stem Cell Biology) (M.Sc) in Heidelberg
Ich habe mich bei Avicenna beworben, als ich 21 Jahre alt war. Ehrlich gesagt habe ich mir nicht viele Chancen ausgerechnet, da wir familiär gerade eine schwere Zeit hatten. Meine große Schwester hat mir Mut gemacht, es mit einer Bewerbung zu versuchen.
Ich bin die zweitälteste von sechs Geschwistern. Eine meiner Schwestern ist schwer erkrankt und ich musste deshalb auch aus Mainz zurück und mein Studium in Hamburg weiterführen, damit ich meine Familie unterstützen kann. Viele Tage und Stunden haben wir im Krankenhaus verbracht. Natürlich konnte ich mich unter den Umständen nicht 100% dem Studium widmen. Trotzdem habe ich weiterstudiert und in dem Semester sogar einen Notendurchschnitt von 1,0 geschafft. Das alles habe ich auch bei den Auswahlgesprächen erzählt und das Stipendium bekommen. Ich bin sehr dankbar, dass das Avicenna Studium auch die äußeren Umstände berücksichtigt und mein familiäres Engagement anerkannt hat.
Durch das Stipendium habe ich unfassbar viele talentierte junge Muslimen aus ganz unterschiedlichen Studienrichtungen kennengelernt. Das hat mich motiviert und mich zum Beispiel auch dazu bewogen mich an einer renommierten Universität für den Master zu bewerben. Ich wurde dann auch in Heidelberg genommen, eine Universität, die einen hervorragenden Ruf in Medizin und Naturwissenschaften hat. Vor dem Stipendium hätte ich so eine Uni gar nicht in Erwägung gezogen. In Heidelberg kann ich mich jetzt auch wirklich mit meinen Interessen beschäftigen und befinde mich zurzeit in der Vertiefung zur Entwicklungs- und Stammzellforschung im Rahmen meines Masterstudiums.
Die Geschäftsstelle von Avicenna hat mich außerdem darin bestärkt, mich für das werkeübergreifende Programm „Karriereförderprogramm für Frauen der Begabtenförderungswerke“ (KFP) des katholischen Studienwerks Cusanus zu bewerben. Als muslimische Frau in der Wissenschaft ist es nicht immer leicht und die Aufnahme in das Programm ermöglicht mir Mentoring von Frauen, die vor ähnlichen Herausforderungen standen und stehen. Als Mentorin konnte ich hierbei Frau Prof. Dr. Ursula Klingmüller, Professorin für Systembiologie und Arbeitsgruppenleiterin am Deutschen Krebsforschungszentrum und Mitglied im Deutschen Ethikrat, gewinnen. Besonders bereichernd finde ich außerdem die ideelle Förderung des Avicenna Studienwerkes. Immer wieder widmen wir uns hier gemeinsam wichtigen Fragen, zum Beispiel die der Ethik in der Wissenschaft. Was ist islamisch gesehen erlaubt in Bezug auf mein Gebiet der Stammzellforschung? In dem Kontext habe ich mit einem weiteren Stipendiaten des Förderwerks im Sommer 2019 eigenständig ein Wochenendseminar in Mannheim zum Thema „Genmanipulation und Genediting“ für unsere Mitstipendiat/innen konzipiert, organisiert und durchgeführt. Das ist ein bereichernder Diskurs für Theologinnen, ebenso wie für mich, da wir aus unseren jeweiligen Erfahrungsschätzen schöpfen können. Als Regionalgruppensprecherin habe ich darüber hinaus wichtige Soft Skills erlernt und viel über Führung, aber auch über Konfliktlösungen gelernt.
Durch das Stipendium konnte ich einige Praktika, u.a. in Cambridge, UK und am MIT in den USA, absolvieren und erste Berufserfahrungen sammeln. Das Forschen im Labor macht mir sehr viel Spaß, aber manchmal fehlt mir der Kontakt zu Patienten. Deswegen möchte ich noch ein Praktikum in der Klinischen Forschung machen. Da geht es meist um Krebsforschung und man hilft individuell einem Menschen und verbringt natürlich auch viel Zeit mit den Patienten. Danach möchte ich dann schauen, in welche Richtung ich für meine Promotion gehen möchte. In jedem Fall blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Als Uigurin und Tochter von Migranten hätte ich mir in Deutschland nie vorstellen können, diese ganzen Erfahrungen sammeln zu können. Ich bin dankbar für diese große Chance und freue mich auf meine private wie berufliche Zukunft!